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Spirit of Gothic






In der Heftausgabe der Gamestar 04/2001 wurde ein Artikel zu Gothic veröffentlicht. Mit freundlicher Genehmigung der Gamestar-Redaktion durften wir diesen nun auch hier veröffentlichen.

Grafikpower für Power-PCs: Von der Burg im Alten Lager haben Sie bei gutem Wetter eine fantastische Weitsicht bis zum blitzdurchzuckten magischen Wall im Hintergrund. (1600x1200).
Konkurrenz für Ultima 9

Gothic

In einer prächtigen 3D-Fantasywelt räumen Sie mit der Brut des Bösen auf - mit der entsprechenden Monster-Hardware.

Es sind einfach zu viele. "Verdammte Orks!", knurrt unser Haudegen und befreit sich aus dem Knäuel wilder Monster. Im Eiltempo rennt er hinab zur Siedlung, ein Dutzend wütender Kreaturen im Schlepptau. Da, der Weg durch den Wald - aber da sind auch Wölfe! Glück gehabt, sie stürzen sich auf einige der Verfolger. Noch immer spürt unser Held fünf, sechs Bestien im Nacken. Endlich taucht die Stadtmauer auf. Bebend springt er durch das Haupttor. Zur Mittagszeit sind besonders viele Soldaten auf dem Marktplatz. Sofort greifen sie zu den Waffen und machen Kleinholz aus den Biestern.

Somit kann das Abenteuer im Rollenspiel Gothic vom Bochumer Entwicklerteam Piranha Bytes weitergehen. Der Held sind Sie, die Orks nur einer von unzähligen Gegnertypen. Hügel, Wälder und Siedlung gemeinsam ergeben eine der glaubwürdigsten Spielwelten, die es bislang am PC zu erkunden gab. Jedenfalls wenn die entsprechende Hardware vorhanden ist.

Tag- und Nachtwechsel

Kolonie unter Verschluss

Anfangs landen Sie in einer Art riesiger Fantasy-Wohngemeinschaft wider Willen. Viele hundert Sträflinge hausen da unter einem riesigen magischen Schild. Der König hat die Kuppel über seinem kriegsentscheidenden Bergwerk erschaffen lassen. Dabei ging allerdings etwas schief - sie wurde viel zu groß und umfasst nun Berge, Täler, Wälder und diverse Siedlungen. Die verantwortlichen Zauberer sind ebenfalls gefangen und brüten schon seit langer Zeit darüber nach, was wohl passiert sein mag und wie es wieder gut zu machen wäre. Den Herrscher außerhalb der Mine lässt das freilich kalt, er wartet auf Lieferungen seines Metalls und wirft dafür gelegentlich Nahrungsmittel, Sklaven oder frische Halunken hinein. Unbelebte Stoffe passen in beide Richtungen durch die Barriere, Menschen nur in eine. Ihre Aufgabe: Finden Sie heraus, wie Sie wieder in Freiheit gelangen.

Per magischem Flammenregen attackieren wir einen riesigen, wild um sich schlagenden Troll. (1024x768)

Drei Gruppen

Als Neuankömmling müssen Sie erst mal Anschluss an eine der drei - nur dezent verzofften - Siedlungen finden und sich allmählich von der niedrigsten Kaste dort zum angesehenen Edelkrieger hocharbeiten. Das sind das soldatisch angehauchte Alte Lager, ein Bandidten-Camp namens Neues Lager und die versponnenen Wald-Hippies der "Sekte des Schläfers". Damit man Sie in einem der Orte aufnimmt und Sie dann in der Story voran kommen, erledigen Sie Aufträge und mutieren allmählich vom Frischling zum Weltenretter. Es gibt zwar welche, in denen Sie lediglich mit den richtigen Figuren plaudern müssen - in den meisten aber ist Action angesagt. Die Einsätze sind vielfältig. Sie räuchern Orkhöhlen aus, gleich danach müssen Sie im Sumpf nach Heilkräutern suchen, als Bote zwischen den Siedlungen agieren und wenig später das heiligste Heiligtum des Sektenlagers beschaffen. Viele dieser Aufträge sind recht lang und mehrfach gestaffelt, zwischendurch finden Sie in Ihrem Notizbuch immer mal wieder eine Aktualisierung, welchen Schritt Sie als nächsten unternehmen sollen. Echte Nebenmissionen, wie sie beispielsweise Baldur's Gate 2 in Hülle und Fülle bietet, sind in Gothic eher die Ausnahme. Die Haupthandlung ist dennoch schön lang, insgesamt dürfen Sie locker mit mehr als 50 Spielstunden rechnen.

Wir tauschen Waren mit einem der Händler; Erzbrocken sind die hiesige Währung.
Technik-Check
Frisch gemausert

Ihre Gegner verkloppen Sie aus der Rückansicht per Schwert oder Beil. Mit der Maus visieren Sie den Feind an, mit den Cursortasten schlagen sie von vorne oder seitlich zu.Wahlweise können Sie Widersacher aus sicherer Distanz mit Bogen, Armbrust oder per Zauberspruch attackieren. Dass die Maus-Unterstützung erst in den letzten wochen der Entwicklung eingebaut wurde, ist deutlich zu merken. Das Ganze geht weniger locker von der Hand als in Action-Spielen wie Rune oder Severance, in Kämpfen etwa kann es vergleichsweise leicht vorkommen, dass Sie an Gegnern vorbeilaufen, statt auf sie einzuprügeln. Wahlweise treten Sie auch nur mit der Tastatur an. Sie können den Spielstand jederzeit sichern, was allerdings weit weg von gewohntem "Quicksave"-Komfort ist: Selbst auf flotten PCs dauert es mehrere Minuten, bis ein Spielstand geladen ist. Dafür (und für mäßige Maussteuerung) geben wir der Bedienung nur ein "Befriedigend".

Tag und Nacht

Die Welt von Gothic wirkt wie aus einem Guss und scheint zu leben. Es bestehen - abgesehen vom Eintritt in eine der wenigen Höhlen - keine Levelgrenzen. Jeden Flecken Erde können Sie wie in Ultima 9 selbst über größte Distanz hinweg sehen und erreichen. Die Siedlungen liegen mehrere Dauerlauf-Minuten voneinander entfernt. In der Natur lauern Wölfe in lauschigen Wäldern, sonnen sich Reptilien neben Flüssen, marschieren Bluthunde vorbei an Wasserfällen. Die große Welt schafft aber auch ein Problem - es bleibt Ihnen nicht erspart, etwa den Weg zwischen Altem Lager und Sumpfsekte mehrere Dutzend Male zu marschieren, was jeweils gut fünf Minuten dauert. Erst recht spät im Spielverlauf bekommen Sie einen Zauberspruch, der Sie umgehend ins Zentrum eines Ortes teleportiert.

In der Ork-Höhle beschützen wir als Templer einen Priester der Sumpfsekte vor Unheil. (800x600)

Anders als in Ultima 9 hat der Tag- und Nachtzyklus Auswirkungen auf Menschen und Fauna. Sobald der Mond untergeht und allmählich wieder Sonnenlicht über die Landschaft fällt, treten die meisten Soldaten, Minenarbeiter oder Sektenjünger mit einem munteren "Wieder ein neuer Tag!" vor ihre Hütte. Dann marschieren sie zur Arbeit oder waschen sich am Tümpel. An einigen Werkstätten können Sie zugucken, wie etwa der Schmied zwischen Amboss und Wasserbad hin- und herläuft. Wenn es Nacht wird, begeben sich die Mitmenschen wieder zu ihren Behausungen und kriechen ins Bettchen. Sogar ein Teil der Tiere in Wäldern und Sümpfen ruht: Saurier legen sich hin, Blutfliegen rollen sich zum Schlafen im Wasser zusammen.

Die (echte) Mittelalter-Rockband In Extremo gibt als Gag ein Polygon-Konzert.

Auf zum Training

Sie spielen immer den gleichen männlichen Helden, die sonst im Genre gewohnte Rassen- und Berufswahl entfällt. Anfangs haben Sie kaum etwas auf dem Kasten, steigen aber relativ schnell zum Monstermörder der Extraklasse auf. Jeder gemeuchelte Gegner und jeder erfüllte Auftrag bringt Erfahrungspunkte. Sobald Sie genug gesammelt haben und den nächsten Level erreichen, bekommen Sie einerseits ein paar Gesundheits-, andererseits auch zehn Lernpunkte. Die nutzen Sie dann bei Trainern zum Verbessern von Fähigkeiten wie Bogenschießen, Schlösseröffnen oder Schleichen. Wenn Sie Ihre Fertigkeiten mit Einhand-Prügelinstrumenten verbessern, schlagen sie damit sowohl schneller als auch eleganter zu - was deutlich zu sehen ist. Außerdem haben Sie die Attribute Stärke, Geschicklichkeit und Mana. Obendrauf gibt's ein paar Spezialbegabungen, zu deren Ausbau Sie ebenfalls Lernpunkte benötigen. Beispielsweise können Sie dann bei erlegten Tieren die Krallen oder das Fell einsacken und teuer verkaufen. Das Rollenspielsystem ist zwar nicht so ausgefeilt wie in Balkdur's Gate 2, funktioniert aber tadellos. Sie stehen immer wieder vor der Alternative, ob Sie lieber Waffengeschick oder Magiekünste verbessern, und bemerken diese Entscheidungen umgehend im Kampf.

Auf dieser Landkarte markieren die Eckpunkte des Pentagramms magische Gegenstände.

Notlicht und Kugelblitz

Die feindlichen Scharen halten Sie mit einem umfangreichen Arsenal an Kriegsgerät und Zaubern von Ihrem Poligonkörper fern. Schwerter in allen Formen und Stärken, Beile und Äxte, Bögen und Armbrüste - rund 100 Nah- und Fernkampfwaffen sind im Spielverlauf zu finden. Effektiver und schicker anzusehen sind freilich die magischen Sprüche: Die sind wahlweise als einmal einsetzbarer Instant-Zauber verfügbar oder als Rune für langfristigen Gebrauch. Leztere sind in sechs Klassen geordnet, die Sie nacheinander mit Lernpunkten freischalten müssen. Zu Beginn bekommen Sie nicht mehr als einen harmlosen Feuerpfeil oder ein magisches Notlicht. Später rösten Sie Bestien per Flammenregen, erschlagen sie mit Kugelblitzen oder frieren sie in der Eiswelle ein. Sie können sich selbst in ein Monster verwandeln und mit seinen Kräften antreten oder auf Knopfdruck ein Rudel Skelttkrieger herbeibeschwören.

Brut des Bösen

Blutfliegen schwirren entlang von Flüssen, Dino-ähnliche Wesen lauern in Tälern: Es findet sich kaum ein Fleckchen ohne Gefahr. In der Außenwelt haben Sie es großteils mit tieren zu tun, bei Missionen mit menschlichen Gegnern oder Orks in diversen Varianten. Die KI kann sich sehen lassen: Biester greifen im Rudel von mehreren Seiten an und alarmieren meist Kollegen in der Nähe.

Es ist Absicht, dass Sie zu Beginn nur die wenigsten Wesen besiegen können und oft in halsbrecherischen Aktionen flüchten oder Feinde zur Stadt locken müssen. Übrigens haben viele Biester ein spezielles Geräusch spendiert bekommen, mit dem ihnen signalisiert wird, dass die Verfolgung beendet ist.

Gegen diese gefährlichen Saurier unterstützt Sie der NPC Baal Parvez.

Gothic

Wertung:
Grafik: Sehr gut
Sound: Sehr gut
Bedienung: Befriedigend
Spieltiefe: Sehr gut
Multiplayer: Nicht vorhanden

Spielspaß: 88 %
Mega-Rollenspiel in riesiger Fantasy-Welt

Download: spielbare Demo




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